Ein Nachmittag auf Schloss Marienburg

Von Daniel · 20. September 2016

Auf in die Region Hannover! An einem Sonntag im Spätsommer schlürfen wir Kaffee im Schlosshof der Marienburg.

Auf dem Marienberg thront das Schloss Marienburg. Dort sollte eigentlich Marie wohnen, die geliebte Frau von King Georg Number Five. Der hat ihr das Schloss damals zum 39. Geburtstag geschenkt. Doch als Marie ihrem Liebsten zu Weihnachten nur gepunktete Socken schenkte, ging Georg V. beleidigt ins Exil nach Österreich. Er rief: «Ich schenkte dir ein Schloss, holde Maid, und du gibst mir ein Paar lumpige Socken?!» Er fuhr sodann davon, in der Kutsche, zum Bahnhof. Und sie lebten getrennt bis ans Ende ihrer Tage1.

  1. Die wahre Geschichte ist auf der offiziellen Website der Marienburg nachzulesen sowie bei Wikipedia.

Sonniger Sonntag im Schloss Marienburg

Hundert Jahre später: An einem sonnigen Sonntag kommen wir auf dem Marienberg an, mit dem Auto. Andere nehmen das Fahrrad oder gehen zu Fuß. Das letzte Mal war ich als Kind hier oben, vor zwanzig Jahren, und irgendwie sieht es noch immer so aus wie früher. Auf dem Waldboden liegen Bucheckern herum– «Hör auf, in Nostalgie zu schwelgen!», ruft Alexa ungeduldig.

Also laufen wir geschwind zum Schloss, das heute – neben dem Steinhuder Meer – beliebtes Ausflugsziel in der Region Hannover ist und eine schöne Kulisse für pompöse Hochzeiten abgibt. Vor uns latschten zwei burschikose Frauen mit Umhängetaschen, auf denen in knallbunter Schrift Hannover geschrieben steht. In fetten Großbuchstaben, in Schriftgröße Vierzigmillionen. Ich frage mich, woher sie wohl kommen.

Könnte auch im Disney Land stehen: das Schloss Marienburg. Steht aber auf dem Marienberg bei Pattensen.

Zwei kleine Steinzwerge bewachen das Schlosstor, schauen uns grimmig an und fauchen: «Schleicht euch!» Im Innenhof der Marienburg liegen Kies, liegt auch ein Hund, der schnell hechelt. Es ist ihm echt zu heiß heute, meine Güte, die Sonne hat kein Erbarmen mit diesem flauschigen Fellträger. Dann rollt ein Mädchen mit ihrem Puppenwagen über Kies und Hund. «Die Mütter werden auch immer jünger», scherzt Alexa.

Der Puppenwagen macht wirklich einen verstörend echten Eindruck, als wäre er ein geschrumpfter Kinderwagen mit geschrumpftem Kind darin. «Mein Puppenwagen sah dagegen total ausgedacht aus», murmelt Alexa. Der feudale Puppenwagen der Kleinen ist detailverliebt gestaltet; er hat sogar ein Netz unten, in das sie ihre Fake-Windeln legen kann. Und am Sonnenschutz baumelt eine gelbe Holzsonne mit grinsendem Gesicht. «Sag mal, liegt da ein echtes Kind drin?!»

Zwei Zwerge bewachen das Eingangstor der Marienburg. Besonders stolz sind sie auf ihre tollen Bärte.

Ein anderes Mädchen hat gar keinen Bock, Mutter zu spielen. Es hat Bock, ein Eis zu essen, drei Kugeln in der Waffel, mit Sahne! Nur dass das Eis dann nicht im Mund landet – sondern auf seinem bunten Kleid, im Gesicht, an den Armen – das ganze verdammte Schloss ist voller Schoko-Eis! Findet der Hund gut, er schleckt die Wände ab. Endlich was Kühles, er liebt Eis.

Kuchen statt Schnitzel

Im Innenhof der Marienburg gibt es auch ein Café-Restaurant mit Außenbereich. Wir haben Glück und ergattern einen freien Tisch im Freien. Zwei Männer hatten den Tisch auch im Auge, aber wir waren schneller. Schmollend schieben die Männer ihre birnenförmigen Körper an uns vorbei und ziehen einen lieblichen Schweißduft hinter sich her. Der wird zum Glück schnell überdeckt von einer pausbäckigen Raucherin, die in schweren Lederklamotten am Nebentisch mit ihrer Rockergang sitzt, und genüsslich den Rauch in die Waldluft pustet.

«Die hat doch gar kein Leder an», sagt Alexa plötzlich.
«Was?»
«Und richtige Rocker sind das doch auch nicht.»
Ähm, dann kommt der Kellner und nimmt unsere Wünsche entgegen, wir möchten Kaffee und Kuchen, denn auf richtiges Essen müssten wir eine Stunde warten, warnt der Kellner, und hier liegen sowieso keine Speisekarten auf den Tischen, also nehmen wir Marzipankuchen und Stachelbeerkuchen (je 4 Euro), obwohl wir noch gar kein Mittagessen hatten. Wir sind wie die eine Frau, die gesagt haben soll, dass die Armen halt Kuchen essen sollen.
«Lady Gaga?»
«Genau.»
«Historisch völlig falsch», findet Manfred («Manni»), der am Nebentisch sitzt und den Kopf schüttelt; dabei fällt ihm die selbsttönende Brille aus dem Gesicht und landet auf dem Tisch. Manni mag keinen Kuchen, den findet er zu süß. Er trägt ein Hard-Rock-Café-Shirt aus Teneriffa. Da war Manfred einmal im Ausland und muss das jetzt jedem auf die Nase binden.
«Ich würde das Sauerfleisch essen», überlegt Manni laut und fingert eine dünne Zigarette aus der dicken Schachtel.

Männer, die Hüte tragen

Im Innenhof vom Schloss Marienburg versammeln sich derweil immer wieder Männer mit Panamahüten und hellen Hemden und bilden Menschentrauben. Sie bekommen eine Führung durchs Schloss, die kostet 8 Euro p. P. «Kann man nicht von leben», erklärt eine Schlossführerin unaufgefordert.

Eine der Besucherinnen – ohne Panamahut – schleicht sich an unseren Tisch und drückt noch schnell ihre Zigarette in unserem Aschenbecher aus, was mich einigermaßen schockiert. Im Schloss darf man weder rauchen noch fotografieren, nur leises Atmen ist gestattet, aber bitte die Luft nicht zu tief inhalieren, das kostet 2 Euro extra.
Ich weiß noch, wie ich als Kind eine dieser Führungen mitgemacht habe; am besten fand ich die Puschen, die man über die Schuhe streifen musste.

Latte Art der einfachen Art.

Heute machen wir keine Führung mit, wir essen nur Kuchen. Der schmeckt ganz gut, ist recht saftig und süß. Als am Nebentisch aber alle Schnitzel und Sauerfleisch und Kartoffeln und Salate mampfen, quält mich ein heftiger Futterneid. Also gehen wir schnell weg und lustwandeln noch ein bisschen durch den verwunschenen Wald. Im Gebüsch hocken die Zwerge und kichern bösartig.

Schloss Marienburg (Website)
Marienberg 1
30982 Pattensen

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