Die kompliziertesten Gäste

Von Daniel · 30. Juli 2017

Das kulinarische Angebot auf der Limmerstraße ist groß und umfangreich – doch an vielen Tischen sitzen schon viele Leute. Wo werden wir nur satt?

Auf der Limmerstraße ist viel los, Radfahrer überholen die #10 und die #10 überholt einen Trinker, der einhändig eine Bierdose öffnet. Halber Liter vom Rewe. Er kippt einen ordentlichen Schluck auf die Straße, «das bringt Glück», meint er. Den Rest schüttet er sich in die Speiseröhre, das gluckert, lecker, lecker.

Wir sind mehr hungrig als durstig und wollen ins Fischers. Dafür brauchen auch wir eine Menge Glück, denn wir haben nicht reserviert. Und es ist Samstagabend. Und unsere Chancen, einen Tisch für drei zu kriegen, sind schlecht, schlecht.
«Wir sind ausreserviert», sagen uns die Fischers Fritzen dann auch.
Auf den Stühlen liegen ausgebreitete Handtücher und an der Bar wollen wir nicht sitzen. (Unsere Rücken brauchen heute etwas zum Anlehnen.) Also weiter, wieder raus auf die Limmerstraße, wo der Trinker seine zweite Dose aufreißt. Dem geht’s richtig gut heute.

Neu in Linden: Das Leinau3

Auf der anderen Straßenseite fällt unser Blick aufs Leinau3, das erst vor einer Weile eröffnet hat. (Vorher befand sich dort das Glüxkind, das unsere Herzen und Mägen aber nie richtig erobern konnte.) Das Leinau sieht schon von außen gemütlich aus – also hereinspaziert und Platz genommen. Sofort ins Auge springt das kräftige Petrol an der Bar sowie die vielen Vintage-Glühbirnen mit ihren verschwenderischen Glühfäden, die sich winden und orange leuchten. Schön hier, finden wir.

Viele kleine Sonderwünsche

Unsere Begleiterin Betty, die aus Hamburg angereist ist, um Hannover liebenzulernen, fragt gleich nach, ob das Leinau auch vegane Gerichte reicht. Die Bedienung muss kurz beim Koch nachfragen – veganes Essen ist in Hannovers Gastroszene noch keine Selbstverständlichkeit. Sie kehrt aus der Küche zurück und macht uns Hoffnung. Das wird schon werden.

Wir setzen und vertiefen uns in die Speisekarten. Die sind ungewöhnlich gestaltet, überall Buchstaben in alle Richtungen, richtig frech ist das. Typografen würden hier und da Mängel bemängeln, aber es sind keine Typografen anwesend, nur wir und eine Poetry-Slammerin und ein paar Leute, die man halt so sieht, wenn man im öffentlichen Raum unterwegs ist.

Nun aber zurück zu den Speisekarten: Die Blätter des Menüs klemmen an einem Holzstock, wie Zeitungen in einem Café. Wir blättern, lesen und entscheiden uns alle drei für den Veggie-Burger. Belegt ist er mit Fenchel, Aubergine und Ziegenkäse. Die Soße enthält Meerrettich.
«Oooh, für mich bitte ohne Soße», sagt Betty. «Ich mag keinen Meerrettich.»
«Alles klar», sagt die Bedienung, die an unserem Tisch steht und unsere Wünsche notiert.
«Und meinen bitte ohne Ziegenkäse», nuschle ich.
«Ohne Zwiebeln?», fragt die Bedienung.
«Zwiebeln?! Sind da etwa welche drauf? Dann bitte ohne», sage ich – und habe eine schreckliche Vision: Vor mir wird doch gleich ein Burger liegen mit Ziegenkäse und Zwiebeln, ich ah–
«Meinen bitte auch ohne Ziegenkäse», sagt Alexa.
Nun müssen wir nur noch zuordnen, wer welchen Dip für die Süßkartoffeln möchte.
«Ich hätte aber gern die Wedges», sage ich.
Die Bedienung schreibt eifrig auf, mit Fußnoten und Marginalien.

Schlechte Nachrichten

Schon nach einigen Stunden ist es geschafft, wir stoßen an und betrinken uns mit Wasser.
«Wasabi mag ich komischerweise», erklärt Betty.
«Ich find Wasabi eklig», behaupte ich.
Plötzlich steht die Bedienung wieder am Tisch. Sie möchte unsere Bestellung lieber noch einmal durchgehen, damit alle den richtigen Burger kriegen. Wir fassen also zusammen: Dreimal den Veggie-Burger, zweimal ohne Ziegenkäse, einmal ohne Soße, einmal mit Wedges und mit Sour Cream, usw. usf.
Oje, wir sind die kompliziertesten Gäste des Tages. Darauf stoßen wir nochmal an, nun wird alles gut.
Dann steht die Bedienung wieder bei uns.
«Schlechte Nachrichten», sagt sie.
Oh, oh.
«Die Burger sind doch nicht vegan», sagt sie. «Ihr seid doch alle vegan, ne?»
«NEIIIN», rufe ich (ein bisschen zu laut).
«…»
«…»
«Jedenfalls ist in der Soße ein bisschen Sahne drin. Auf den Burger könnte stattdessen eine Tomatensoße drauf», schlägt die Bedienung vor.
«Ach, ist egal, ich nehme die Soße trotzdem», sagt Alexa schließlich.
Neulich hatte ich sie schon beim Butter aufs Brot schmieren erwischt. Seitdem wartet sie darauf, mich beim Verspeisen eines veganen Salats zu erwischen.

Geschmacksurteil

Der Veggie-Burger sieht mit seinem schwarzen Brot richtig gut aus, etwas geheimnisvoll und unnahbar. Als hätte er ein dunkles Geheimnis zu hüten. Als mir klar wurde, dass gar kein Patty zwischen dem Brot liegt, war ich kurz enttäuscht, denn zu einem Burger gehört doch ein Patty! Nach den ersten Bissen aber die Erleichterung: Der Burger schmeckt richtig gut.

Alexa fand gerade gut, dass es keinen Patty, sondern nur Gemüse gab, das sei doch pfiffig, sagt sie. (Ich sage ihr schnell, dass man pfiffig nicht mehr sagt.) Betty fand den Burger bestimmt auch gut – allerdings fehlte bei ihr der Ziegenkäse. Dennoch: Unsere Wiederkehr ist gewiss!

Nach ein paar Stunden treten wir wieder hinaus auf die Limmerstraße; die Sonne ist hinter den Häusern verschwunden, Lounge-Musik wabbelt durch die Straße, ein Geschäft feiert (Neu)eröffnung. Mädchen rauchen, Jungs schauen, Hunde lachen. Uns allen geht’s richtig gut heute.

Inzwischen hat das Leinau3 dauerhaft geschlossen.

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