Japanische Teezeremonie: In Ruhe schlürfen
Entspannen, den Geist zur Ruhe kommen lassen – und dabei Matchatee schlürfen: Wir waren bei einer japanischen Teezeremonie dabei, die regelmäßig im Stadtpark Hannover durchgeführt wird.
Einatmen. Mein tägliches Teetrinkritual ist sehr simpel: Teebeutel in die Tasse plumpsen lassen, heißes Wasser drüber – fertig. Japaner lassen sich für den Teegenuss mehr Zeit, viiiel mehr Zeit. Geschlagene fünf Stunden kann eine traditionelle Teezeremonie schon mal dauern. Die Teetrinkenden sollen die Zeit am besten komplett vergessen und sich einfach entspannen, sich voll und ganz auf den Tee konzentrieren. Ausatmen.
Klingt verlockend, diese Langsamkeit – also buchen wir eine Teezeremonie für Einsteiger. Die ist auf zwei Stunden angesetzt und findet in einem kleinen Teehaus im Stadtpark Hannover statt. Das Häuschen ist ein Geschenk von Hannovers Partnerstadt Hiroshima. Heute dient das Teehaus als Kulisse für japanische Teezeremonien – übrigens einzigartig in Hannover.
Teezeremonie im Stadtpark
Es ist ein unruhiger Tag im Spätfrühling. Ein bisschen Sonne, ein bisschen Regen, viel Wind. Wir brechen zu spät auf und eilen zum Stadtpark. Das mit der Entspannung und Langsamkeit fängt ja gut an! Eine Weile irren wir zwischen Bäumen, Blumen und Bäuchen umher, ehe uns ein Mann auffällt, der im japanischen Gewand vor dem Eingangstor des Teegartens steht. Das muss Dietrich Roloff sein, hoffen wir – und tatsächlich, er ist es. Dietrich begrüßt uns, er kennt sogar meinen Namen: «Herr Berger!» Wir betreten den kleinen Teegarten. Weil plötzlich Sturmböen durch die Bäume fegen, dürfen wir schnell über den Gartenpfad huschen und ins Teehaus schlüpfen. Es ist ziemlich klein – oder aber: gemütlich. Außer uns sind heute noch drei weitere Gäste mit dabei; eine angenehme Gruppengröße.
Im Teehaus wartet Jana auf uns. Sie trägt einen hellblauen Kimono, recht schlicht, denn kein schrilles Muster soll unseren Geist ablenken und in Aufruhr bringen. Jana wird die Zeremonie durchführen, während Dietrich erklärt, was da passiert und warum Jana nicht einfach einen Teebeutel ins Schälchen plumpsen lässt.
Keine Sandalen, bitte
Wir setzen uns auf den Boden, auf dem Tatami-Matten liegen. Im Sommer sitzen die Gäste direkt auf ihnen, aber heute ist es zu kalt, deshalb sitzen wir auf Filzmatten. Für Ungeübte gibt es außerdem weiche Sitzkissen. Die braucht Jana natürlich nicht, sie sitzt auf ihren Füßen. Ich schiebe mir das Kissen unter den Pöter und klappe die Beine ein, die sofort friedlich einschlafen. Es dauert ein bisschen, bis ich Sitzkissen und Beine an die richtigen Stellen geschoben habe. Dann geht’s.
Ein scheußlicher Fauxpas wäre gewesen, mit Sandalen herzukommen, denn bevor wir das Teehaus betreten durften, mussten wir die Schuhe ausziehen. Wie das in Japan eben üblich ist. Sandalen-Freunde würden also mit nackten Füßen im Teehaus stehen – also auf den Tatami-Matten, auf denen auch das Essen abgelegt wird. Ein Unding, schließlich würden wir ja auch nicht barfuß auf den Tischen tanzen. Jedenfalls nicht nüchtern.
Unser Tipp: Vorher die schönsten Socken aus der Schublade kramen (und die Sandalen zu Hause lassen).
Süßes, dann gibt’s Bitteres
Die Zeremonie beginnt. Wir betrachten eine komplexe Reihenfolge vieler kleiner Schritte und Gesten. Die Gefäße und kleinen Werkzeuge werden verschoben und gereinigt. Jedes Ding hat seine Bedeutung und erfüllt eine wichtige Aufgabe. In einem kleinen schwarzen Gefäß, das wie eine Urne aussieht, befindet sich das feine Teepulver. Grüner Matchatee, der den Geist belebt. Mit einem kleinen Teebambuslöffel schaufelt Jana das Pulver ins Schälchen. Dann schöpft sie mit einer winzigen Holzkelle das Wasser aus einem Wasserkessel in die Schale. Umrühren, mit dem Teebesen den Tee aufschäumen. Die Zeremonie ist eine komplizierte Angelegenheit, die aber sehr elegant und tatsächlich beruhigend wirkt.
Vor dem Tee gibt es noch eine Süßigkeit: Kinako-Mochi, ein japanischer Reiskuchen aus Klebreis und Bohnenpaste. Die Mochi-Kugeln hat Jana selbstgemacht, das sei ziemlich aufwendig, aber die gekauften Mochi-Bällchen sind nicht so lecker, findet sie. Das Süße soll Lust aufs Bittere machen. (Alexa rastet fast aus, so gut schmecken ihr die Bällchen.)
Dann bringt Dietrich die Teeschale, verbeugt sich. Ich nehme sie mit der rechten Hand auf und stelle sie auf den Handteller der linken Hand. Ich drehe die Schale im Uhrzeigersinn, denn das Gesicht der Schale soll nach vorne zeigen. Dann darf ich trinken – und schlürfen, um auch den Schaum aufzusaugen. Ist die Schale ausgeschlürft, stellt man sie zurück auf die Matte. Dietrich holt sie wieder ab. Auf Knien schiebt er sich Stück für Stück heran und nimmt die Schale auf. Auch deshalb dauert eine Teezeremonie so lange.
Ermüdete Augen
Während der Zeremonie ordnet die Gastgeberin sich ihren Gästen unter und trinkt nicht mit. Am Schluss verlässt sie sogar den Raum, damit die Gäste ganz in Ruhe und unbeobachtet den Teebehälter und die kleinen Werkzeuge anschauen können. Das Anschauen gehört auch zur Zeremonie. Wäre die Gastgeberin noch anwesend, würden die Gäste ihre Blicke spüren und sich nicht trauen, den Behälter anzufassen. Während der genauen Betrachtung des Teebehälters wird über Tee gefachsimpelt – normalerweise. Wir haben aber keine Ahnung, also reden wir übers Wetter. («Kalt heute, ne?» – «Ja.») Ist es dann wieder still, kehrt die Gastgebern zurück und räumt auf. Am Schluss sagt sie, dass sie unsere Augen ermüdet hat und verabschiedet sich. Nun sieht das Teehaus wieder aus wie am Anfang. Der Kreis schließt sich. Ausatmen.
So bucht ihr die Teezeremonie
Die Teezeremonie ist ein Muss für Japan- und Tee-Liebhaber! Sie kostet pro Person 20 Euro und findet in der Regel mehrmals im Monat statt (nicht aber im Januar). Auf der Website steht, wann. An der Teezeremonie nehmen 3 bis 7 Personen teil, ihr braucht keine Vorkenntnisse. Ihr müsst euch aber vorher per Mail anmelden; ein Spontanbesuch ist nicht möglich. In der kalten Jahreszeit wird das Teehäuschen beheizt, dann ist es schön muckelig.