Mittagspause bei den Soupsisters
Die Einkaufstüten sind voll, aber der Magen ist leer – höchste Zeit für ein Mittagessen. Schlemmer-Möglichkeiten gibt es in der City viele. Wir entscheiden uns für Suppe und Sandwich. Langweilig? Lecker!
Alle Menschen, die in Hannover leben, sind an diesem Samstag aufgebrochen und treten sich in der Innenstadt auf die Füße, zerren Plastiktüten durchs Gedränge, zwischen Beinen hindurch, vorbei an den Punks, die einer Frau «Guten Appetit!» hinterher brüllen. Die Frau beißt im Gehen in einen Döner, ein Kunststück, das viel Mut & Können erfordert. Früher habe ich mir gern einen Gyrosfladen geholt, da unten am Kröpcke, neben der kleinen Pizzabude, wo es diese geile Pizza gab. Tempo-Treff hieß das.
Nach einigen Einkäufen machen wir Mittagspause am frühen Nachmittag. Josi hat uns das Soupsisters in der Osterstraße empfohlen, also schleppen wir uns mit letzter Kraft dorthin. Draußen ist ein Tisch frei, an den wir uns setzen – es ist November und wir können im Freien essen!
Am Schaufenster ist eine Sitzbank angebracht mit gemütlichen Sitzpolstern. Neben uns sitzt eine Frau, die ein dickes Buch liest. Als ich versuche, den Titel zu entziffern, schaut mich die Frau ein bisschen böse an. Als hätte ich sie beim Lesen der Bibel erwischt! Oder Fifty Shades of Grey. Schnell gucke ich in die Luft, da oben fliegt ein Taube entlang. Der Himmel sieht nach Regen aus.
Eigentlich muss man sich im Soupsisters selbst bedienen, wie ein Schild auf dem Tisch erklärt, aber trotzdem steht eine Frau neben uns und erkundigt sich nach unseren Wünschen. Ich entscheide mich für das Tanddori-Chicken-Sandwich (5€). Außer Suppen gibt es bei den Sisters auch Sandwiches, Gulasch, Eintöpfe, Salate und Desserts.
Die Suppenschwester nickt und notiert. Ach, was zu trinken noch – was gibt’s denn?
«Wasser, Limo, O-Saft (frisch gepresst)», zählt sie auf.
In der Bahn hat einer ein Bier getrunken, es war kurz nach 11, aber vielleicht hat er sich aufs Fußballspiel vorbereitet, dafür sollte man zumindest angetrunken sein.
«Einen O-Saft, bitte», höre ich mich sagen.
Alexa wählt Linsensuppe (6,50€) und Rhabarber-Limo (2,50€).
Meine Güte, pausieren wir gesund! Früher, als ich mit meiner Mutter in die Stadt fuhr, um neue Jacken, Hosen und Schlüpfer zu kaufen, haben wir immer bei Dinea Pause gemacht, oben bei Kaufhof. Dort aß ich Schnitzel mit Pommes und Ketchup – und danach noch einen Kuchen mit Sahne oder so.
Bei den Soupsisters gibt es «vieles in Bio-Qualität». Das Hühnchen auf meinem Sandwich stammt von einem Neuland-Betrieb aus Norddeutschland. Das heißt, die Tiere werden artgerecht gehalten und sind vielleicht ein bisschen glücklicher als die gestressten Industriehühnchen, denen niemals die Sonne ins Gesicht scheint. Der Geschmack jedenfalls überzeugt: Das Sandwich schmeckt richtig gut. Und hier dürfte klar werden, dass ich kein ausgebildeter Gastronomiekritiker bin: Mir fehlt die Fähigkeit, den Geschmack in all seinen Nuancen in Worte zu fassen. So muss es beim «lecker» bleiben.
«Wie hat dir denn deine Suppe geschmeckt, Alexa?»
«Was, die Linsensuppe heute?»
«Ja.»
«Lecker und frisch, besonders die Aprikosen waren mal was anderes.»
«Da waren Aprikosen drin?»
«Ja.»
«Das klingt verrückt.»
«Erstens bist du kein ausgebildeter Gastronomiekritiker und zweitens war das erstaunlich lecker! Das war die indische Variante einer Linsensuppe.»
«Und wie war die Suppe im Vergleich zur Linsensuppe deiner Mutter?»
«Ich muss gestehen, dass sie die Suppe meiner Mutter fast übertrumpft hat.»
Als wir aufgegessen haben, kommt die Suppenschwester wieder zu uns und fragt, ob wir satt sind. Alexa nickt. Ich gebe zu, dass ich durchaus noch was verdrücken könnte. Ein Schnitzel vielleicht, mit Pommes und Ketchup.
«Ich kann dir anbieten, dass ich die Linsensuppe noch mal auffülle.»
Ich nehme das Angebot an und einige Augenblicke später komme auch ich in den Genuss einer leckeren Linsensuppe.
«Guten Appetit!», brüllt der Punk.
Das Soupsisters gibt es inzwischen nicht mehr.