Limmern in Linden – aber ohne Bier

Von Daniel · 2. Dezember 2015

Die Limmerstraße ist die kultigste Straße in Hannover. Abends und in der Nacht chillen hier dürre Studenten in den Häusereingängen, trinken Herri und flirten mit der rauchenden Barfrau, die gleich wieder rein muss, Cocktails mixen. Wir flanieren am frühen Nachmittag die Limmerstraße entlang – statt Bier trinken wir Sprite und Apfelschorle.

Wir parken in der Kochstraße, wo jemand Herzen an die Wände gemalt hat. Und einen Superpenis. Ein Mädchen sitzt im Fenster und raucht, der Qualm verwirbelt in der klaren Luft. Eine Weile habe auch ich in dieser Straße gewohnt, aber meine Nachbarn waren alle irre, wahnsinnig und süchtig nach dem lauten Leben. Für mich war das irgendwann zu anstrengend, etwa wenn nachts um vier Rammstein durch die Hinterhöfe brüllte. Ich schaue in das Fenster meiner alten Wohnung: Sie haben meine Vorhänge hängen lassen.

Nach einem kurzen Besuch bei der Sparkasse stehen wir am Anfang der Limmerstraße. Rechts stehen zwei Typen und fachsimpeln über ein Smartphone, das der eine in der Hand hält und es liebevoll betrachtet.
«Samsung S6», sagt er und der andere nickt wissend.
«Gut, ey.»

Käse schimmelt nicht …
Käse schimmelt nicht …

Die #10 kriecht vorbei wie eine riesige grüne Raupe aus Stahl, Glas und Plastik. Plötzlich bleibt sie stehen. Ein grauer VW Golf mit HI-Kennzeichen steht da ziemlich ungünstig – nämlich voll im Weg. Kein Durchkommen für die Straßenbahn, die in ihren Schienen gefangen ist. Sie klingelt schrill, bis der Golf sich endlich, endlich in Bewegung setzt und die Straße wieder freigibt. Meine Lieblingsstraßenbahnfahrerin flucht die ganze Zeit lautstark und klingelt sich den Weg frei. Leider fahre ich viel zu selten mit ihr.

Die 10 kriecht vorbei wie eine riesige grüne Raupe.
Die #10 kriecht vorbei wie eine riesige grüne Raupe.

Wir essen bei Mr. Thang, meinem Lieblingsvietnamesen in Hannover. (Ist aber auch der einzige Vietnamese, den ich kenne, ehrlich gesagt.) Als ich noch um die Ecke lebte, habe ich mir hier öfter mein Mittagessen geholt. Alexa entscheidet sich für ein Erdnuss-Kokos-Curry mit Reis, Wokgemüse und Tofu. Ich möchte was von der Mittagskarte, doch die gilt nicht am Wochenende, sagt das Mädchen, und ich sage «Schade» und nehme Hühnchen in Teriyaki-Soße. Lecker, lecker und günstig, günstig.

«Auch für Männer»: das Taschenmesser.
«Auch für Männer»: das Taschenmesser.

Nach dem Essen gehen wir weiter, draußen scheint die Sonne und ich scha—
«Da will ich hin!», schreit Alexa plötzlich und rennt davon. Fahrradfahrer erschrecken, als sie einfach über die Straße huscht. Und dann stehen wir im Riva, ein kleiner Laden, der dem Maranolo ähnelt. Hier gibt es viel Dekokram, Postkarten, Notizblöcke, Pip-Tassen und -Teller. Und es gibt ein Taschenmesser, auf dessen Packung ein Schildchen klebt, auf dem steht: «Auch für Männer».

Männer lieben scharfe Sachen, zum Beispiel Chili. Das gibt im Pfefferhaus, in dem wir etwas später stehen und nicht so richtig wissen, ob wir nun Chili oder Pfeffer kaufen sollen oder doch eine BBQ-Sauce. Eigentlich ist uns nach was Süßem, also kaufen wir beim Bio-Bäcker einen Schoko-Scone und einen Schoko-Muffin.
«Wie schmeckt der?»
«Komisch, irgendwie. Nicht so lecker», sagt Alexa und verzieht das Gesicht. «Voll öko.»

Die einen fahren VW Golf, die anderen ’ne pinke Vespa.
Die einen fahren VW Golf, die anderen ’ne pinke Vespa.

Auf dem Rückweg kommt uns Zappa-Jesus entgegen. Sein schwarzer Mantel flattert im Wind, wie seine grauen Haare. Sein Anblick erinnert mich an meinen ehemaligen Lieblingsnachbarn, der Rammstein-Fan, der keinen Schlaf brauchte. Als Gürtel diente ihm ein Strick, den er sich durch seine Jeans gezogen hatte. Ich war ja froh, dass er überhaupt eine Hose trug! Nachts drehte er öfter völlig durch und auf, lautstark stritt er mit seinen Dämonen. Tagsüber stand er mitten auf der Straße und fotografierte den Himmel. Von einer Straßenbahn hätte der sich niemals vertreiben lassen.

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