Eine Kanutour auf Leine und Ihme

Von Daniel · 21. August 2020
Im Kanu auf der Ihme, vorbei am Ihme-Zentrum.

Eine Kanutour mitten durch Hannover: Was kann es Schöneres geben? Vom Wasser aus eröffnen sich ganz neue Stadtansichten – doch nicht alles ist hübsch.

Sie nannten uns Anaconda. Der Mann lacht, saugt an seiner Zigarette, ascht in den Fluss. «Anaconda!», grölen sie. «Die hätten das mal üben sollen», lästert der Freizeitkapitän. Sie schießen an uns vorbei, vier lachende Leute in einem schnellen Kanu. Wir schlingern derweil von links nach rechts, wie eine Anaconda eben, das ist es. Spaß haben wir trotzdem, großen sogar.

Eine ganze Weile glitt unser Kanu perfekt durchs Wasser – wir waren richtig schnell und kamen gut voran. Doch dann verloren wir irgendwie den Rhythmus und das Schlingern begann, von links nach rechts, von einem Ufer zum anderen. Ausgerechnet in diesem Moment der Schwäche müssen die pöbelnden Paddelkritiker auftauchen! Niedergeschlagen lassen wir uns im Fluss der Zeit treiben. Das Sonnenlicht funkelt durch die Blätter, auf einmal ist es wunderbar ruhig und friedlich.

Leinen los!

Gestartet waren wir am Sportleistungszentrum, am Schnellen Graben. Es herrschte bestes Wetter, es waren viele da – auch ein JGA war da, ein Jungesellenabschied. Junge Männer, die irgendwie alle gleich aussahen; Männer, die schon ein bisschen was getrunken hatten. Der nüchterne Mann vom Kanuverleih erklärte: «Wenn ihr besoffen im Kanu seid und was passiert, ist der Lappen weg!» Ich war auch stocknüchtern, aber durstig, es herrschten 30 Grad, die Sonne hatte kein Erbarmen. Wir sollen unbedingt viel trinken, sonst macht der Kreislauf schlapp. «Aber kein Bier!»

Auf dem Wasser ist Hannover noch grüner.

Unser Kanadier ist für vier Personen geeignet und zu viert steigen wir auch ein. Anders ging es an diesem Samstag nicht, alle Boote waren vermietet. (Lieber hätten wir zwei Zweier gehabt.) Unsere Wertsachen verstauten wir in einem wasserdichten Plastikfass. Der Mann vom Kanu-Verleih erklärt, wie wir das Kanu steuern, wie wir effizient voran kommen. Dann geht es los, wir tragen das Boot zum Ufer, legen es ins Wasser und steigen ein.

Kajak kentert

Alles wackelt, wahrscheinlich kentern wir sofort, gehen gluckernd unter. Eine Schwimmweste tragen wir nicht, weil wir lässig und cool aussehen wollen. Weil wir schwimmen können und weder Ihme noch Leine reißende Flüsse sind. Ein Mann, der in sein schlankes Kajak einsteigen wollte, fällt ins Wasser, ebenso sein Kram. Alles nass. Bei dieser Affenhitze ist es allerdings auch ziemlich herrlich, im Fluss zu plantschen.

Beliebter Halt für eine Paddelpause: das Strandleben.

Wir stechen in See, stechen die Paddel ins Wasser. Zunächst geht es die Ihme entlang, unter der Lodemannbrücke hindurch. Anschließend unterqueren wir der Stadionbrücke und passieren die HDGDL-Arena. Die Route ist denkbar einfach: Wir müssen einfach rechts abbiegen, wo immer wir abbiegen können. Eine laminierte Karte haben wir zur Not dabei – wir werden sie nicht brauchen.

Eine besondere Stadttour

Schon erreichen wir den Schwarzen Bär, der Verkehrslärm ist kaum zu hören. Links das ragt Capitol in den perfekten Himmel, erstreckt sich der erstaunlich leere Ihmepark am Ihmeufer. Links auch ein Koloss, die graue Brutalität, das Ihme-Zentrum. Wir fahren in seinen Schatten hinein, es wird kein bisschen kühler. Neben uns lässt sich ein Stehpaddler lustlos treiben.

«Das da sind die drei Warmen Brüder», doziere ich, als wir das Heizkraftwerk in Linden-Nord erreichen. «Dort wohnte ich mal – also dahinter, nicht in den Schornsteinen.» Im Kanu sitzen nämlich auch Alexas Eltern, die Hannover kennen und lieben lernen sollen. Doch auch Stadtkerner können einer Kanu-Tour viel abgewinnen: Hannover zeigt sich aus einer ganz neuen Perspektive und ist kaum wiederzukennen. Tatsächlich wirkt die Stadt schöner und ruhiger als sie in Wahrheit ist.

Die Fährmannsbrücke ist in Sicht und das Strandleben. Hier machen viele Paddler Halt, legen an und steigen aus. Es ist nur leider voll heute, überall liegen Kanus, Kajaks und diese verdammten Kreuzfahrtschiffe! Der JGA ist ebenfalls da und bevölkert den ganzen «Strand». Wir lassen uns weiter treiben und biegen rechts ab. Uns kommen ein paar Paddler entgegen – sollen wir jetzt links an ihnen vorbei oder lieber rechts? Oh, oh, links! Beinahe wären wir kollidiert und gekentert. Wir befahren nun die Leine, die einen Bogen beschreibt. Rechts ist das Weddingufer – es ist wirklich sehr hübsch hier. Idyllisch, grün, ruhig.

In der Innenstadt geht’s raus aus dem Wasser – die Kanus müssen ein Stück geschoben werden, ehe es wieder ins kühle Nass geht.

Mit dem Kanu durch die Stadt

Doch dann wird es ein bisschen uncharmant: Das Hohe Ufer ist vom Wasser aus betrachtet gar nicht so schön. Im Wasser schwimmt eine Flaschenpost, eine Mahnung verpackt in einer ausgetrunkenen Wodkaflasche, die ihrem Ziel entgegen treibt. Die Gebäude am Ufer sind zwar brandneu, aber mit ihren goldenen Ornamenten auch brandhässlich.

Dann ist unsere Fahrt erst mal vorbei, am Beginenturm müssen wir das Boot umsetzen: Raus aus dem Wasser, rauf auf die Wiese, Verschnaufpause. Danach müssen wir unser Kanu auf einem kleinen Bootswagen in Richtung Maschpark rollen. Es geht unter der Straße hindurch, auf die andere Seite, wo die Leine friedlich weiter fließt. Unser Kanu rumpelt über den staubigen Boden und rutscht etwas unsanft ins Wasser.

Der letzte Abschnitt der Kanutour ist am schönsten.

Es folgt das grünste Stück der Tour, vorbei am Loretta’s, vorbei am unsichtbaren Maschsee und unter der Papageienbrücke hindurch. Hier werden wir zur Anaconda, hier lassen wir uns einfach eine Weile treiben. Nach drei Stunden ist es geschafft, sind wir geschafft. Eine Kanu-Tour mitten durch die Stadt – sie macht wirklich Spaß! Am liebsten wären wir weitergefahren, die Leine entlang, bis zu ihrem Ende oder ihrem Anfang.


Kanutour durch Hannover: Alle Infos

Wir haben unseren 4er-Kanadier beim Kanu-Verleih Leine-Erlebnis (Website) gebucht und pro Person 20 Euro bezahlt. Die Hannover-Rundtour dauert etwa 3 Stunden inklusive Pause – perfekt für den Einstieg. Es gibt viele weitere, auch längere Touren. Los geht es am Sportleistungszentrum in der Nähe des Maschsees, wo die Tour auch endet. Auf einem großen Parkplatz werdet ihr euer Auto los.

Ein weiterer Anbieter ist der Kanuverleih Hannover (Website), der sich selbst als «das Original» bezeichnet. Auch er bietet eine Rundtour an, die durch die Stadt führt. Pro Person zahlt ihr 20 Euro, Kinder zahlen in Begleitung eines Erwachsenen nur die Hälfte. Los geht es ebenfalls am Sportleistungszentrum. Die Strecke ist dieselbe wie beim Konkurrenten.

Etwas günstiger ist das Angebot vom Anbieter Allerhorn (Website): Hier zahlt ihr pro Person 18 Euro, Kinder kosten 12 Euro. Die «Rote Tour» ist dieselbe wie bei den anderen Kanuverleihen. Außerdem gibt es in Hannover und der Region diverse Kanuvereine und Paddelklubs.

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